Neulich in der Nacht von Sonntag zu Montag habe ich einen Bekannten von einer Feier aus einem über 30km entfernten Ort abgeholt. Auf dem Rückweg kamen uns einige Fahrzeuge entgegen, von denen ich kommentierte, wer das war. Zumindest war ich in jener Nacht der Meinung, dass ich wüsste, wer uns da entgegen kam. Was wiederum egal war.
Da es jedenfalls mir bekannte Viehhändler mit ihren typischen Fahrzeugen waren (oder hätten sein können), konnte ich sie leicht identifizieren. Mein Bekannter saß neben mir und sagte dann: „Typische Nachtmenschen, so wie du.“
Ja, manche Leute trifft man tagsüber nicht. Oder selten im Auto auf der Straße. Und andere haben so ihre Gewohnheiten. Und wiederum andere wissen, wann man die besten Geschäfte macht. Oder dabei von neugierigen Blicken unentdeckt bleibt. Und die sind nur die Spitze vom Eisberg.
Nachtschwärmer
Es gibt Leute, da zähle ich mich selbst dazu, die Nachts nicht nur gut arbeiten können. Sondern die Dinge auch anders wahrnehmen (wollen). Falls du auch so einer bist, dann verstehst du das. Falls du eher der aufmerksame Tagesmensch bist, wie mein Bekannter, dann fällt dir bestimmt das etwas anders gelagerte, aber ebenfalls aufmerksame, Verhalten von uns Nachtmenschen auf.
Am grellen Tag gibt es für Nachtmenschen wenig reizvolles zu entdecken, da reizt das Sonnenlicht schon allein genug. Ein andermal ist es der Lärm. Nachtmenschen schätzen eher die Dunkelheit, um die einzelnen Lichter schön zu finden.
Nachtschwärmer sind die Genussmenschen, die Hedonisten unter den Nachtmenschen. Für sie wurde die Leuchtreklame und guter Whisky erfunden. Sie sind Nachts lebendiger als am Tag. Statt mit Vieh auf dem Dorf zu handeln, schwärmen sie durch die Stadt. Nur im Dunkeln sind die Farben kraftvoll und die Geräusche intensiv.
Sowohl der Nachtmensch als auch der Nachtschwärmer sind Jäger. Damit meine ich nicht nur den, der auf dem Hochstand mit der Flinte auf die fette Wildsau ballert. Sondern vor allem den, der ein Auge für das Schöne und das Seltene hat. Mit gewöhnlichen Dingen kann man ihn nicht abspeisen. Er wäre dadurch nur beleidigt. Und der Tag symbolisiert und bietet für ihn nur gewöhnliches. Er kann am Tag nicht jagen, nicht genießen und höchstens auf „Autopilot“ laufen.
Heißt das jetzt, dass jeder Nachtmensch die Schönheit der Natur gar nicht zu schätzen weiß? Denn die sieht man doch nur tagsüber. Um ehrlich zu sein, doch tut er. Aber nicht nur. Ich kenne welche und ich schließe mich da mit ein, die lieben intensive Anblicke. Insbesondere dann, wenn es regnet oder gerade geregnet hat und die Wolken noch am Himmel hängen. Es ergibt einfach ein anderes Licht und andere Geräusche. Und damit ein andere Wahrnehmung. Alles wirkt weniger aggressiv, weniger beißend.
Und Regen und Wolken gehören zur Natur wie Sonne und Wärme. Wie Schatten zu Licht. Die Betrachtungsweise ist bei Nachtmenschen anders.
Nachtmenschen sind doppelt produktiv
Neue Dinge zu entdecken und seien es nur die eigenen kreativen Gedanken, kann man am besten in der Nacht. Der Normalbürger stört nicht, weil ihm die Nacht nicht gehört. Jemand, der früh um Drei aufsteht ist genauso ein Nachtmensch, wie derjenige, der kurz danach (oder noch später) ins Bett geht. Beide haben zu diesen „Unzeiten“ die meiste Energie, um was zu schaffen, was viele Tagmenschen so nicht könnten.Tagsüber ist er vielleicht nicht kreativ oder sonderlich aufmerksam, aber wie jeder andere auch, immer noch wach genug, um anstehende Aufgaben zu erledigen. – Egal ob als Angestellter oder Unternehmer.
Nicht wenige Nachtmenschen üben Berufe aus, wo sie auf besondere Situationen oder interessante Menschen treffen, die ihnen tagsüber kaum begegnen würden.
Die Nacht bedeutet Freiheit
Die Nacht bietet eine andere Welt innerhalb der Welt. Eine Welt, die einem mehr „gehört“, wo man mehr sich selbst ist, als bei jener am Tage. Ich persönlich fahre beispielsweise lieber Nachts mit dem Auto als am Tag. Es schont auch die Augen, außer beim Gegenverkehr von Idioten, die viel zu früh wieder auf Fernlicht schalten. Bei diesen Blendern würde ich am liebsten sofort anhalten und denen eine Stinger-Rakete hinterher schießen.
Wenn ich dann noch allein unterwegs bin, fühle ich mich zehn mal freier als am Tage. Kaum jemand steht einem im Weg, niemand nervt. Die Nacht hat weniger einengende Regeln, wie zum Beispiel einen Feierabend.
Die Nacht ist das Tor zum Tag. Und der Tag ist die Zeit, in der der Nachtmensch andere Dinge tut und andere Dinge erfährt, als in der Nacht. Kurz, ein Nachtmensch hat viel vom Leben. In den meisten Fällen sogar mehr.