Ein Versicherungsvertreter hat mir neulich erzählt, bei ihm stimme alles. Damit meint er, das Geschäft läuft wie von selbst.
Beispielsweise hat er so ein Ehepaar als gute Kunden. Die rufen zwecks neuer Versicherungen schon von alleine an. Fein, dachte ich. Läuft doch prima.
Ich fragte, was das für Leute sind, die regelmäßig neue Versicherungen abschließen wollen? Ich meine freiwillig und ohne dazu gedrängt zu werden. Er sagte, die werden schon dazu gedrängt. Aber nicht von ihm. Da wurde ich neugierig und hakte nach, von wem diese Familie denn nun gedrängt werde, bei ihm immer neue Versicherungen abzuschließen.
Er sagte, der Bedarf eine Versicherung abzuschließen kommt nicht von außen. Eigentlich ist dieser auch gar nicht vorhanden. Jedenfalls nicht wirklich. Es hat eher mit seiner toleranten Art andersartigen Charakteren (schrägen Typen) gegenüber zu tun.
Im Gegensatz zu den meisten anderen kann er „gewisse Dinge“ nonchalant ertragen. Auch habe er – gerade als Versicherungsagent – keine all zu große Angst vor Gefahren. Gefahren?
Ich dachte zuerst an ruppige Rentner, Gangsterfamilien oder Sex mit Krokodilen und fragte vorsichtig in diese Richtungen. Er meinte nur: „Viel besser!“ Dann rückte er raus, warum das gute und geschätzte Kunden bei ihm sind.
Der Mann, also der eigentliche Kunde, ist ein 69 Jahre alter Rentner (aha!) und ehemaliger Fußbodenleger. Seine Frau ist 32 und manchmal Künstlerin und ferner gelegentliche Kassiererin in einem Markt für Tiernahrung oder solche Sachen.
Dieser Rentner hat eine Sammelleidenschaft für Waffen und ist außerdem in einem Schützenverein. Über diese Mitgliedschaft hat er einen Waffenschein. Die Waffen hängen überall an der Wand.
Seine Frau wiederum hat angefangen, sich für Whisky zu interessieren, weil dieser ihre Kreativität befeuert. Sagt sie. So kennt sie schon alle Marken und Online-Händler. Und ihr Mann hat ihr sogar ein Wandregal gebaut, wo sie jetzt ihre Sammlung hinein stellt. Das heißt, sie sammelt jetzt auch. Whisky natürlich.
Wo ich das hörte, dachte ich: Ja, Whisky und Knarren. Das passt. Aber Alkohol und Versicherungen? Das passt nicht. Da muss noch was kommen. Und da kam noch was. Sprichwörtlich.
Die Muse
Die junge Frau, sehr auf ihre kreative Stimulation bedacht, hatte eine Muse. Genauer einen Affen, der im ganzen Haus frei herum lief. Mit Windeln. Ob der männlich oder weiblich war, weiß ich jetzt nicht. Aber spielt das noch eine Rolle?
Und erst an dieser Stelle ergab es für mich einen Sinn. Denn wenn Menschen unter Alkoholeinfluss um sich schießen, zahlt deren Versicherung nicht.
Aber falls der Affe abdrückt, dann drückt die Versicherung wohl ein Auge zu. Das zumindest ist die Story, die sich unser Renter selbst erzählt. Und das weiß auch unser Versicherungsagent.
Da der ältliche Ehemann zwar schon Realist, aber gleichzeitig nur ein Mensch ist, der sehr an sein alten Waffen und seiner jungen Frau hängt, will er sich absichern. Vielleicht nur mental. Und zwar mit teuren Versicherungen. Und die wechseln wie die Launen seiner Frau.
Genau, wie es für diesen Herrn eigentlich nur vier Zutaten für eine mögliche Katastrophe gibt, hier junge Frau, Knarre, Affe, Schnaps. Genauso gibt es da zig verschiedene Variationen, wie eine Katastrophe aussehen könnte. Und das bedeutet ebenso viele Befürchtungen. Und Versicherungsangebote.
Weil der Versicherungsagent dieses Pärchen wie völlig normale Leute behandelt, deren brisanten Lebensstil zu verstehen versucht und darüber hinaus die Story des Kunden bestätigt, vertrauen sie ihm. Auch wenn er denen vielleicht nie die ideale (oder perfekte) Versicherung verkaufen kann.
Mein nächster Gedanke: Zumindest kann er dem Rentner ein sichereres Gefühl verkaufen. Allein das steigert die Lebensqualität enorm. Genau deshalb ist er für mich einer der besten Versicherungsagenten überhaupt.
Bevor ich dem Versicherungsagenten unmoralisches Verhalten vorwerfen konnte, sagte dieser mir offen und ehrlich, dass der Mann genau weiß, dass im von mir beschrieben Schadensfall auch auch keine Versicherung vollständig helfen könne. Diese hilft dem Rentner, dem Ehepaar, nur jetzt, eben so lange noch nichts passiert ist.
Das heißt, der Versicherungsagent verkauft keine Versicherungen. Sondern seine Gegenwart, um dem Pärchen ein Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden. Er verkauft dem Kunden seine eigene Story. Und damit Lebensqualität.
Manchmal und manchmal auch öfter geht es nicht um Versicherungen, Autos oder Klopapier. Sondern um ganz andere Dinge. Dinge, die mit dem vordergründigen Produktzweck nichts zu tu haben. Liebt man Menschen, dann tut man alles, damit sie sich wohl fühlen… und der Affe die die Munition nicht findet.