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Channel: Klokain-Kartell
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Die Korrigierer

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Original image by Petras Gagilas

…oder nennen wir sie Sittenwächter. Es gibt Typen, die spucken einem ins Gesicht, noch während du ihnen freundlich die Hand zur Begrüßung entgegen streckst. In deinem Haus.

Hier ein paar Erklärungen, Beispiele und Tips zum Umgang mit dieser Sorte.

 

Korrigieren = Gieren nach Korrektheit

Du hast vielleicht schon mal erlebt, dass dich jemand brüskiert, während du ihm nett begrüßt hast. Das ist ein eher deutsches Phänomen, mit dem ich irgendwie versuche auf meine Art klarzukommen.

Ich zum Beispiel begrüßte mal im Beisein von anderen Leuten ein Pärchen und gab den mir fast im Stechschritt entgegen schreitenden Bekannten dementsprechend die Hand. Aber er nicht. Stattdessen wies er mich selbstbewusst darauf hin, dass ich „erst die Frau“ begrüßen solle.

Dieser Oberlehrer war vor wenigen Jahren selber nicht in der Lage, überhaupt jemandem zu begrüßen. Der erzählte stattdessen gleich von seinen Erfolgen vom Scheißen bis zur Wohnungsrenovierung.

Er hat nun mal eine Frau geheiratet, eine Lehrerin mit Beamtenstatus. Die wird ihn so lange zurecht korrigiert haben, bis es in sein Weltbild passte, was Besseres zu sein.

Also lassen wir milde walten. In Irland bleibe ich ja auch nicht sitzen, wenn nachts im Pub die Nationalhymne gespielt wird. Die stolzen Iren stehen auf, wanken und nachdem sie sich stabilisiert haben, geht der Blick zum einzigen Deutschen, der noch sitzt (mich), mit der Aufforderung aufzustehen. Der Unteschied hier ist, dass ich die Iren brüskiert hätte, wenn ich sitzen geblieben wäre. Slainte.

Ironischerweise mache ich es oft so, dass ich freiwillig aufstehe, wenn aus meiner Sicht wichtige Personen den Raum (oder in Österreich den Tisch) betreten. Selbst dann, wenn ich es nicht unbedingt müsste. So manches Mal bin ich dann der einzige, der steht. — Warum? Ich liebe es, herrlich verkehrt zu sein. Anders ausgedrückt, ich provoziere jetzt mit Höflichkeit.

Vorauseilende, oder besser übertriebene oder völlig unangebrachte Höflichkeit macht es Korrigierern schwer und bringt sie in Zugzwang. Mehr noch, es verwirrt sie, was wiederum ungemein Spaß macht. Und da wollen wir ja hin.

 

Die Leute lieben es, korrigiert zu werden

Nein, das ist natürlich Quatsch. Denn, wenn es so wäre, dann wären die stets korrekten Deutschen das liebenswerteste Herrenvolk der Welt. Warum?

Deutsche korrigieren gern, selbst dann, wann der (oder das) Korrigierte bereits korrekt ist. Wenn ich ein englisches Wort korrekt ausspreche, dann korrigiert man mich auf Denglisch oder mit fettem deutschen Akzent. (Deshalb habe ich mir in Gegenwart von Deutschen angewöhnt, in D-Land gebräuchliche, aber englische Begriffe absichtlich mit aufgesetztem deutschen Akzent zu sprechen, damit die mich überhaupt verstehen. Und notfalls sage ich eben Bumms statt punch.)

Aber dieser Beitrag ist kein Sprachkurs oder eine Anleitung, wer wann wo nur so zum Spaß aufstehen muss. Ganz im Gegenteil. Es geht hier um Ordnung und Sicherheit. Denn Korrigieren heißt Ordnen. Sicherheitshalber.

So wie beim dem Nachbar, dessen Köter die ganze Nacht durchbellt, der aber am nächsten Tag die Polizei anruft, weil das Motorrad am Freitag um 17 Uhr für 5 Sekunden zu laut ist, den gibt es selbst in den dicht besiedelten Niederlanden nicht. Oder nicht so häufig und extrem.

Ordnungsbürger, Oberlehrer, Spießer, Pedanten, Beamte, Konformisten, Polizisten. — Alle eine Wichse. Sie alle wollen sicherstellen, dass das eigene, besser vorgegebene, Weltbild – sei es noch so falsch – gewahrt bleibt. Alles, was davon abweicht, wird als „falsch“ angesehen und daher korrigiert, angepasst, „geplättet“ und dann ins Abseits gestoßen.

Kurz, ein Deutscher liegt immer richtig. Der Grund? Er geht davon aus, dass es nur ein „richtig“ gibt. Also seines. Dann muss alles andere falsch sein. Und dass es mehrere Möglichkeiten geben kann, richtig zu liegen, ist für ihn schlichtweg nicht tolerierbar und damit genauso undenkbar wie kalte Getränke in kühlen Räumen im Hochsommer.

 

Was du mit Korrigierern machen kannst

Gar nichts. Sei nur tolerant. Denn dumme (oder uniformierte) Leute fühlen sich immer im Recht. Du musst sie nur weiträumig (vorausschauend) aus dem Weg gehen, den Umgang auf das nötigste beschränken (zum Beispiel den mit der Polizei). Falls Leute bei dir zu Besuch kommen, sag einfach: „Mein Haus, meine Regeln.“

Den Korrigierern keinen Anlass zum Korrigieren zu geben ist mühselig. Und perfekt zu sein ist unmöglich. Das heißt, bei dir wird immer irgend ein Idiot Anstoß finden. Es ist Gedankenverschwendung, sich damit auseinanderzusetzen.

Lass diese Leute weiter korrigieren und fertig. Die brauchen das, um sich gut oder wichtig zu fühlen, fürs kaputte Selbstwertgefühl. Damit tust du denen was gutes. Falls dich jemand dann doch zu sehr nervt, sag ihm genau das.


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