Ursprünglich und rein muss sein, was geht in deutschem Munde rein.*
In Deutschland liebt man das pure, unverfälschte. Nicht nur bei Speis‘ und Trank.
Internetauftritte, Farbzusammensetzung von Spielfilmen und TV-Serien, eigentlich alle visuellen Medien sind – sofern sie von Deutschen für Deutsche gemacht wurden… blass.
Diese Blässe ist so unauffällig, dass genau diese ermüdet und langweilt. Das heißt, mit dem Bunten, dem Zusammenspiel von kräftigen und warmen Farben hat man es hierzulande nicht so.
Es ist entweder blass oder beißend schrill wie bei Asien’s Deutschen, also den Japanern.
Entweder erleben wir das eine oder andere extrem.
Minimalistisch bedeutet nicht puristisch
Klare Linien, beruhigende, leicht anzuschauende Formen sind ein eigenes Thema. Reduktion im Sinne von „weniger ist mehr“ ist wirklich Kunst. Komplexen Dingen nicht nur eine klare Formensprache zu geben, sondern auch funktionell zu vereinfachen ist ein Zeichen talentierter Designer. Habt ihr gehört, Yamaha?
Wenn ich mir bei Tageslicht beispielsweise aktuelle Autos ansehe, dann frag ich mich, wo tagsüber die talentierten sind? In der Bahnhofskneipe beim 12. Bier? Zusammengepfercht als Klatschvieh bei Helene Fischer im Publikum? Ausgestorben?
Jedenfalls scheint Talent nicht mehr zu zählen. (Hat es eigentlich noch nie.)
Ist das jetzt eine Form von Purismus?
Ich sage immer, das ist German Style, „a Gerrnan thing“, so wie der Drumcomputer aus den frühen Achtzigern, die harte Sprache a-la Mars Attacks, das zackige Nicken mit den Kopf, als Mittel der eigenen Emotionalität Ausdruck zu verleihen.
Und Purismus ist es auch. Selbstverständlich hat Purismus nicht viel mit Geschmack zu tun. Eher mit Analyse, mit Trennung, Unterscheidung, Zuordnung, Herkunft und Kontrolle. Es ist eher eine Weltsicht mit, wenn man es weit genug treibt, letztendlich Wissenschaftlicher Denkweise.
Das Gegenteil von Purismus heißt Original
Das Gegenteil von Rein bedeutet Vielfalt
Und es ist Verunreinigung. Zumindest aus deutscher Weltsicht. Denn seit 500 Jahren gibt es ein Reinheitsgebot für Bier. Angeblich. In Wirklichkeit wurde damals die Verfügbarkeit von Getreide – mit Ausnahme von Gerste – für den Lebensmittelanbau, also Brot gesichert. Das war eine Erfindung von Politikern, die heute noch gilt.
Allerdings nur in Deutschland. Genau das führt dazu, dass gerade deutsche Biere im Vergleich zu internationalen Sorten den kürzeren ziehen. Damit meine ich nicht die Industrieplörre von den Konzernen, für die jegliche Standardisierung hilfreich ist.
Sondern innovative Kleinstunternehmen und Gründer, die rein handwerklich gut gemachtes, ursprüngliches(!), also originales Bier, wie es früher einmal war, am besten herstellen könnten. Micro Breweries & Craft Beer sind Begriffe aus dem englischen. Blitzkrieg ist deutsch. Weil es seitdem in D nichts innovatives mehr gab. Nicht wirklich. Hier ist Reinheit heute ein starrer Vorwand, die Konzerne zu schützen. Und die Sicherstellung der Brotproduktion, wie es früher war.
Erst durch Verunreinigung entsteht was lebendiges, neues, komplexes und natürlich unübliches. Es entsteht Geschmack, worüber es sich nicht streiten lässt. Aber Geschmack ist wichtiger als der pure Ursprung.
Und Geschmäcker kann man schwer erklären. Ich meine jetzt nicht den Geschmack von Huhn. Sondern dass, was im positiven Sinne deine und meine Aufmerksamkeit erregt, weil es auf einmal interessant ist oder komplex. Oder neu und betörend. Das gilt für Architektur, Musikstile, Lebensstile, Frauen, Männer oder was es mittlerweile sonst noch gibt.
Neues entsteht entweder durch Zerstörung des Alten. Oder durch die Kombination von Vorhandenen. Quantenteilchen, Atome und Moleküle waren schon vorhanden, bevor es Leben gab. Was ist denn in unserer Welt noch pur und ursprünglich? Nichts. Gar nichts.
Statt nach Reinheit, Unverfälschtheit oder Purheit zu suchen, ist es besser und gewinnbringender, Einzigartigkeit zu (er)finden. Trifft diese Einzigartigkeit auf genug Resonanz, gilt sie irgendwann als das Original. (Und irgendwann ist in der heutigen Welt bald)
*Falls es den Spruch schon gibt, email mir den Link als erster – aber nur heute und morgen noch (17.&18.10.2016) – und ich schicke dir eine Flasche Single Malt. (Oder einen €100-Gutschein eines Online-Dealers, dann kannst du den Stoff selber kaufen.)