Eine Freundin verriet mir vor ein paar Monaten gleich nach der Begrüßung: „Du Lutz, ich glaube, die Leute werden immer dümmer. Merkst du das auch?“ (Ja, tue ich.)
Daraufhin erzählte sie mir von Beispielen, die mir seltsam bekannt vorkamen. Denn ich kenne das bereits aus eigenen Beobachtungen. Ich suchte nach Gründen und Ursachen, um dieses Phänomen zu erklären. Leider gelang es mir nicht.
Da blieb mir nur eines zu sagen, und zwar: „Ja, Birgit, du hast recht. Und das ganze ist unheimlich.“
Ich frage mich aber nach wie vor, warum die Leute noch dümmer werden als sie eh schon sind. Ist es eine Seuche, die aus dem Leitungswasser kommt? Oder aus dem Auspuff von VW-Dieseln? Womöglich ist die fortschreitende Verdummung auch völlig normal — im Sinne von „Geht nicht anders“ beziehungsweise „der Tod fängt im Kopfe an und ist sowieso unvermeidlich“?
Ich erklär das mal an zwei Beispielen.
Erstes Beispiel — Der Nachbar
Wenn also jemand seinen 40-Tonnen-Sattelschlepper halb auf den Gehweg und halb auf einer Hauptstraße parkt – nur weil er dort wohnt, und das direkt gegenüber einem auch von (richtigen) Outlaw-Bikern besuchten Laden, wobei ein freier Parkplatz für Schwerlaster nur 2 (zwei!!) Gehminuten entfernt ist, dann bezeichne ich diesen jemand als dumm.
Dieses Beispiel ist leider einen Tatsache. Birgit gehört, neben ihren Partner Andy, dieser Laden. Und der neue Nachbar mit dem besagten Sattelschlepper gehört der ganze Ort. Glaubt er. Die versnobte Frau dieses Nachbarn passt irgendwie zum Sattelschlepper, denn bei ihrem Arsch braucht sie selber einen.
Woher kommt dieses Verhalten? Aus dem Arsch der Ehefrau? Nein. (Oder doch.) Ein Grund liegt darin, dass jenes Paar eigentlich aus diese Gegend stammt. Aber als ‚Ossis‘ vor ca. 15 Jahren nach Westdeutschland wegzogen. Nun sind sie wieder da, im Osten, und halten sich plötzlich für eine überlegene Art von Superwessis….
Zweites Beispiel — Party als Kulturschock
Alle paar Jahre wird man per Einladung dazu genötigt, auf Feierlichkeiten zu erscheinen, wo schon vorher klar ist, dass man dort nicht wirklich erwünscht ist (oder erkannt wird). Auf solchen Festivitäten scheint die Dummheit ihren von Hause aus stockdeutschen Ursprung nicht mehr verbergen zu können. Wie zeigt sich das?
Man will jemanden eine Freude machen, ihm zeigen, dass er oder sie „wichtig“ ist, indem man erscheint. Und was passiert dann? Man bereut es, überhaupt zugesagt zu haben, denn man ist nicht wirklich beliebt. Was vorher klar war, aber man vergisst, dass Deutsche ihr Weltbild ihr Leben lang aufrecht erhalten.
Bei mir entsteht dann vorerst der Wunsch, das Ganze so schnell wie möglich wieder verlassen zu wollen. Familienfeiern, Betriebsfeiern und Klassentreffen sind passende Beispiele.
Hey Stupid!?
Ab und zu kann ich mich nicht verweigern und nehme – wohl wissend der Gefahren – solche Einladungen an. Außerdem schlage ich Einladungen zu Parties nur ungern aus. Auch solche zu erwartbar schlechten. Die werden dann trotzdem gut, denn ich bin ja da. Außerdem kann man ja nicht alle Menschen über einen Kamm scheren. Weil einige freuen sich, dich zu sehen und umgekehrt genauso.
Aber das steif-sterile Wachsfigurenkabinett an todernsten Leuten (Gästen) schafft eine Kulisse der lächelnd dargebotenen Gleichförmigkeit. Es ist surrealer als in einem Tim Burton-Film. Der einzig herzliche Typ beim diesjährigen Klassentreffen war ein 18-jähriger Ire, namens Jameson. (Nicht wirklich, da waren noch mindestens 20 Leute, die den gleichen Eindruck hatten wie ich. Es waren 3 Klassen. Und wir junggeblieben rissen das Ruder noch rum.)
Ansonsten war es die langweiligste Feier, die ich seit 40 Jahren erlebt habe. Ist gerade einen Monat her und ich mache mir schon Sorgen ums nächste Mal. Die Passivität bei den Leuten (sind ja alles Deutsche) ist einmalig in der Welt. Von obigen Ausnahmen abgesehen (die saßen bei mir am Tisch), haben alle nur Löcher in die Wind gestarrt, sich selten bewegt und kaum geredet.
Ich vernahm mies gelaunte Passivität. Und das bei einem 40-jährigen Jubiläum. Da möchte ich nicht wissen, wie die sonst im Alltag so drauf sind. Sicher gruselig.
Alle sahen gleich aus. Der gleiche Gesichtsausdruck, die gleiche 10.000-Stunden-Solariumbräune, das gleiche Gejammer und Gefluche als die Kellnerin mal ein Getränk vergessen hatte. Mein Gott!
Als ich das hörte, bin ich aufgesprungen, habe das Gesöff an der Bar geholt, der Kellnerin noch einen Witz erzählt und dem wartenden demonstrativ auf den Tisch gestellt. Dauerte 17 Sekunden. Der verdurstende guckte völlig verblüfft. Und alle anderen guckten ebenfalls verblüfft. Ganz so, als ob Copperfield gerade eine Kuh mit dem Gesicht von Dr. A. Merkel hergezaubert hätte.
Immer wieder hörte ich dann so ein Murmeln a-la „Der hat sich aber verändert!“
Ja, hat er. (Die meinten mich.) Und das ist gleichzeitig die Antwort für unser Dilemma der Dummen.
Dumme sägen gern an ihren eigenem Ast
Denn wenn jemand nicht bereit ist, sich weiter zu entwickeln, wird er automatisch dumm. Er degeneriert zeitlebens, allein durch geistige Stagnation. So jemand verschließt sich allem, was neu ist. Er lehnt fremde Leute ab und labt sich an den vermeintlichen Schwächen anderer, um sich toll zu finden. Ansonsten erfindet er Feinde. Oder praktischer, er erschafft sich welche.
Die Welt dreht sich doch weiter. Alles ist in Bewegung. Dummheit ist nichts weiter als zu glauben, die Welt drehe sich um einen selbst. Und wer das glaubt, der wird entweder selbstzufrieden… oder wenn das Kartenhaus zusammenfällt, verbittert. In beiden Zuständen wäre jede geistige Weiterentwicklung völlig blockiert.
Was lernen wir daraus? Dummheit ist Blockade, gegen sich selbst und andere. Das zeigt sich in schwerwiegenden Fällen zum Beispiel in Form eines geparkten 40-Tonners, der eine Durchfahrtsstraße wochenklang blockiert, bis dieser Berufskraftfahrer trotz vorheriges Zureden schließlich seinen Führerschein abgeben und sprichwörtlich zum Idiotentest muss… leider wahr …alles klar. (…und wie gut, dass es böse Biker mit Beziehungen zu den Bullen gibt. Herrlich.)